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1. Grundriss der römischen Altertümer - S. 1

1882 - Freiburg im Breisgau [u.a.] : Herder
Einleitung*. § 1. Begriff, Einteilung und Quellen der römischen Antiquitäten. 1. Begriff. Unter römischen Altertümern (im abstrakten Sinne) versteht man die wissenschaftliche Darstellung der gesellschaftlichen Zustände und Yerhältnisse des römischen Yolkes in allen seinen Lebensbeziehimgen. Sie schildern den Bestand der Daseins- und Lebensformen des Yolkes innerhalb eines gewissen Zeitraumes, d. i. Wesen und Einrichtung in Verfassudg, Rechtspflege, Krieg, Kultus und Privatleben. Mithin behandeln die Altertümer das nationale Leben der Römer nach seiner öffentlich-staatlichen und seiner privaten oder bürgerlich - geselligen Seite, zwei Lebensformen, die wir in ihrem fertigen, abgeschlossenen Zustande, nicht wie die Greschichte in ihrem Werden betrachten. Antiquitäten nennt man diesen Zweig der Altertumswissenschaft, weil ihr Gegenstand der Yergangenheit (avitiquitas) angehört. Zwar behandelt auch die Greschichte die gleiche Yergangenheit, aber diese in ihrer fortschreitenden Entwickelung, also die Thaten des Yolkes in ihrem inneren, ursächlichen Zusammenhange und äufseren Yerlaufe. Im konkreten Sinn verstand man früher und versteht teilweise jetzt noch unter Antiquitäten Gegenstände des öffentlichen und privaten Lebens, [wie Werkzeuge, Münzen, Geräte, Waffen, die uns erhalten sind. Auch fafste man früher unseren Zweig der Altertumskunde mit dem Worte Archäologie zusammen, während dieser Ausdruck jetzt gewöhnlich auf die Kenntnis und Geschichte der alten Kunstdenkmäler beschränkt ist. Ii 2. Einteilung. Da die Antiquitäten das gesamte nationale Leben umfassen, so zerfallen sie in ihrer systematischen Darstellung in A. Staats- oder öffentliche Altertümer, und zwar a. in Altertümer der Verfassung, b. in Altertümer der Verwaltungy Krieg, röm. Altertümer. 2. Aufl. 1

2. Grundriss der römischen Altertümer - S. 2

1882 - Freiburg im Breisgau [u.a.] : Herder
2 2. Name, Landschaften und Urbevölkerung Italiens. c. in Altertümer der Rechtspflege, d. in Altertümer des Krieges, e. in Altertümer des Kultus (der Religion und des Gottes- dienstes). B. Privataltertümer: Familienwesen, Lebensweise, Kleidung, geselliges Leben etc. behandelnd. 3. Quellen. Unsere Kenntnis über die Zustände des römischen Lebens schöpfen wir vorzugsweise aus den römischen Schriftstellern (Historikern, Rednern, Dichtern, Grammatikern); aber auch einige griechische Schriftsteller sind für unsere Wissenschaft von gröfster Wichtigkeit. Dazu kommen als Quellen alte Inschriften, Münzen, Bauten, Gemälde, Statuen etc. Unter den römischen Klassikern, welche sich speziell mit einzelnen Gegenständen der Antiquitäten befafsten, sind zu nennen: Varro (f 27 v. Chr.), de lingua Latina; Cicero (*J* 43 v. Chr.), de republica, de legibus u. a.; Livius (f 17 n. Chr.) in seinem Geschichtswerke; Ovid (f 16 n. Chr.), fasti; ferner die Schriftsteller über Landbau (rei agrariae) und Feldmefskunst (agrimen-sores) und die verschiedenen Rechtsquellen; endlich von altrömischen Urkunden, soweit sie erhalten sind, die sogen, leges regiae, die commentarii regum und pontificum, die annales maximi, libri magistratuum, z. B. die fasti con-sulares etc. (vgl. Literaturgeschichte). Von den gy'iechischen Schriftstellern nennen wir: Polybius (f 122 v. Chr.), bxopta •/.ailoxrx.rj; Dionysius v. Halikarnass (um 30 v. Chr.), dpycuoxoyi'a Poland]; Diodorus Siculus (zur Zeit Christi), ßtß?ao&r]xrj latoptvoj; Cassius Dio (155—225 n. Chr.), Iaxopi'a Pcupiatx^; Appian (2. Jahrh. n. Chr.) ebenso und Plutarcli (um 50 n. Chr.), ahiai Pto(j.cuxat u. a. § 2. Name, Landschaften und Urbevölkerung Italiens. Um ein Volk in den Eigentümlichkeiten seines öffentlichen und privaten Lebens zu begreifen, mufs man die natürlichen und die internationalen Bedingtheiten desselben kennen, d. h. das Land, in dem es wohnt, und die Zugehörigkeit und Eingliederung des betreffenden Yolkes in die große Yölkerfamilie. 1. Der Name Italia umfafste in der ältesten Zeit nicht die ganze Halbinsel, sondern anfänglich nur die Südspitze (Lukanien und, Apulien); seit der Eroberung Tarents (272 v. Chr.) aber alles Land von der sicilischen Meerenge bis zu den Flüssen Rubicon und Macra, und seit der Einverleibung der Poländer (Gallia ci-terior) in das römische Reich (43 v. Chr.) das Land bis an die Alpen, so dafs erst seit Augustus Italia Gesamtname für die ganze Halbinsel wurde. Italia vom altoskischen vitlü, viteliü = Irccxog, Rind, also Rinderland.

3. Grundriss der römischen Altertümer - S. 3

1882 - Freiburg im Breisgau [u.a.] : Herder
2. Name, Landschaften und Urbevölkerung Italiens. 3 2. Die einzelnen Landschaften Italiens: I. Oberitalieu. Dieses reichte von den Alpen im Korden bis zum Rubicon und Macra im Süden und begriff: a. Liguria im Westen am sinus Ligusticus. b. Gallia cisalpina (citerior, togata), seit 222 y. Chr. römische Provinz. Der Padus (Po) teilte diese Provinz in Gallia cispadana und transpadana. c. Venetia, das Land der Yeneter im Osten von Oberitalien, und d. Istria, nordöstlich von jenem. Ii. Mittelitalieu. Yom Rubicon und Macra bis zum Silarus und Frento im Süden; der Apennin teilt es in eine West- und eine Osthälfte. Dort waren die Landschaften: a. Etruria, das Land der mächtigen Etrusker; es reichte bis an die Thore Roms. b. Latium (vetus und novum), bis zum Liris, und c. Campania, bis zum Silarus. Im Osten lagen: d. Tjmbria, bis zum Kar und Aesis, e. Picenum, bis zum Aternus, und f. Samnium, bis an den Frento. Iii. Unteritalien, bei den Griechen Magna Graecia genannt, das alte eigentliche Italien mit den Landschaften : a. Lucania, mit samnitischen Bewohnern. b. Bruttium, im Westen bis zum Laus und Bradanus. c. Apulia mit Calabria, die östliche Südspitze Italiens, mit jazygisch-hellenischer Bevölkerung. 3. Bevölkerung. In diesen Landschaften waren seit ältester Zeit Yölker verschiedenfacher Abkunft ansäfsig: in Oberitalien die (etruskischen) Rasener, an den Pomündungen die (illyrischen) Veneter und westlich die (iberischen) Ligurer. Seit dem siebenten Jahrhundert v. Chr. nahmen mächtige keltische Stämme Oberitalien in Besitz, von welchen Gallia citerior seinen Namen erhielt; sie wurden seit dem dritten Jahrhundert v. Chr. allmälig von den Römern unterworfen. — In Mittel- und Unteritalien waren neben den Etruskern (Tuskern), welche Etrurien und einen Teil von 1*

4. Grundriss der römischen Altertümer - S. 5

1882 - Freiburg im Breisgau [u.a.] : Herder
3. Römische Nationalität. 5 tu?, Fläche, Ebene) erhielten sie den Namen Latini. Ihre Sprache steht in entfernter Verwandtschaft zum Umbrischen, in näherer zum Oskischen, der Sprache der Samniten, Sabiner etc. Zur Übersicht der Stellung der Latiner im indogermanischen, bezw. gräko-italischen Stammbaume vgl. folgendes Schema. Indogermanisches Urvolk. 2. Um das Leben der Römer zu verstehen, ist also festzuhalten, dafs sie sich als Glied in die große Kette der griechischitalischen Yölker einschliefsen, was namentlich in Rücksicht auf ihre Religion von Bedeutung ist. Die Verwandtschaft der Latiner mit den Griechen einer- und den Italikern andererseits offenbart sich in der gesamten Kultur der Römer: in Sprache, Verfassung, ■Sitte und Religion. Durch das politische Übergewicht der lati-nischen Römer über die Schwesterstämme erlangte die latino-Tömische Kultur die Oberhand, nahm aber auch, namentlich von den Oskern (Sabinern), manche Bildungselemente in sich auf. Von Haus aus hatten die Römer manche Einrichtung, wie das Gfast-recht, den Kolonat, die Klientel, die Scheidung des Volkes in Edle und Freie, ferner das Zusammenthun in Geschlechts- und G-augenossenschaften mitgebracht: Einrichtungen, die allgemein indogermanisch sind. Denn die Indogermanen waren, schon ehe die Gräko-Italiker sich von ihnen ablösten, zu einem gewissen Grade der Kultur gelangt; insbesondere waren die Italiker, seit wir sie kennen, an Ackerbau und stetige Avohnsitze gewöhnt. Aufserdem haben im Laufe der Zeit stammfremde Nationalitäten auf die römische Asien (Arier). Europa. \ X / Inder. dränier. Nord. Süd. / \ Germanen. Slavo- Britto- Grseko-Italiker. Letten. Kelten. Griechen. Italiker. Latiner. Osker. Umbrer.

5. Grundriss der römischen Altertümer - S. 6

1882 - Freiburg im Breisgau [u.a.] : Herder
6 4. Die Gründung Roms. Kultur eingewirkt: die Griechen im Süden, im Norden die Etrusker und Kelten, durch Handelsberührung die Phöniko - Karthager; weniger wohl das in Latium uransässige Volk, die sog. Äboriginer (Casci = Prisci), deren Stammesangehörigkeit nicht ermittelt ist. So zweifelhaft es ist, dafs eine gröfsere Masse Etrusker sich in Rom ansiedelte, so sicher hahen diese auf die römische Kultur eingewirkt; am meisten ist von ihrem ausgebildeten Religionswesen (wie die Opferschau und die Deutung der Himmelszeichen) auf das römische übergegangen; aufserdem fanden ihre Festspiele (z. B. die Gladiatorenkämpfe), dann die etruskische Art, Bauten aufzuführen, und manche Kunstweise in Rom Eingang. Hie Etrusker besafsen eine hohe Kultur, bauten Städte mit Mauerringen, und zwar gern auf Anhöhen, während die italischen Völker in offenen Dörfern (vicatim) wohnten. — Zur Zeit, wo die Römer in die Geschichte ein traten, bestand unter den Latinern in Latium bereits eine Verbindung von Gaugemeinden zu einem Staatenbunde (populus, civitas). Dieser umfafste 30 selbständige Gemeinden (Städte) mit Gegenseitigkeit der Ehe (co-nubium), des Bürgerrechtes (civitas) und des Eigentumserwerbes (commercium), d. i. des Rechtes eines jeden Bundesbeteiligten, innerhalb des ganzen Bundes Handel und Wandel zu üben. Alljährlich traten an den feriae Latinae (Latinerfesten) die Gemeinden zur Beratung ihrer Angelegenheiten und Abhaltung des Bundesfestes am Albanerberge zusammen, an dessen Pufs das gemeinsame Heiligtum im Haine und an der Quelle der Ferentina, der zweiten Schutzgöttin des Latinerbundes, lag; oberster Bundesgott war der Juppiter Latiaris. In dieser latinischen Bundesgenossenschaft hatte wahrscheinlich Alba Longa seit unvordenklicher Zeit die Vorsteherschaft, bis diese (durch König Tullus Hostilius) an die jüngere latinische Stadt Rom kam. Alba Longa stand in älterer Zeit auch unter Königen, deren Macht durch den Rat der Alten (senatus) und die Volksversammlung eingeschränkt war, ganz wie wir es in Rom treffen. § 4. Die Gründung Roms. Über die Gründung Roms haben wir fast nur dunkle und verworrene Sagen. Nach der (jüngeren) Sage sollen Trojaner unter Aneas nach Latium gekommen und Lavinium am Meere gegründet haben, bis sie sich mit den eingeborenen Latinern verschmolzen. Von diesem Mischvolke sei dann Alba erbaut worden und später von hier Rom als Kolonie ausgegangen; und zwar

6. Grundriss der römischen Altertümer - S. 7

1882 - Freiburg im Breisgau [u.a.] : Herder
§ 5. Geschichtlicher Überblick der Entwicklung der Stadt. 7 soll die Ansiedelung und Stadtgründung unter Leitung der Zwillinge Romulus und Remus geschehen sein. In der Überlieferung von einer trojanischen Avanderung ist aber vielleicht nui eine dunkle Erinnerung an uralte Züge griechischer Kolonisten nach Unteritalien enthalten, während die Sage von Alba Longa darauf hinweist, dafs albanische Kolonisten zu den ersten Ansiedlern Roms' gehörten und dafs Rom ein Glied im alten Latinerbunde war, den es sich im Laufe der Zeit unterwarf. Jedenfalls waren bei der Stadtgründung verschiedene Yölkerstämme beteiligt, wofür manche Staatseinrichtungen (Tribuseinteilung, Unterscheidung der Stände in Patrizier, Plebejer und Klienten u. a. m.) sprechen. Die Sage, dafs Zwei die Stadt gegründet haben, rührt wohl daher, dafs zwei Hauptstämme, mit je einem Könige an der Spitze, die älteste Gemeinde leiteten, woran die späteren zwei Konsuln erinnern mögen. Als Gründungsjahr gilt (nach Yarronischer Zählung) das Jahr 754 v. Chr. oder Olymp. Yi. 3, als Gründungsfo*/ der 21. April, an dem das Fest der Hirtengöttin Pales, die Pcdilict (Parilia), gefeiert wurde. Will man die Jahre der Stadt (abgekürzt a. u. c. = ab urbe condita oder ii. c. = urbis conditae) in die Jahre vor Christus umwandeln, so setzt man immer das Jahr 754 an und zieht die Jahre der Stadt davon ab, der Rest gibt das Jahr vor Christus; z. B. 250 a. u. c. (u. c.) = 754 250 oder das J. 504 v. Chr. Der alte Name der Stadt war Räma, davon hiefsen die Bewohner Rämneis oder Ramnenses; jünger ist die Form Roma, Romani. Ob das Wort von Rüma, d. i. Erhöhung, oder von Rouma, d. i. Stadt am Roumon oder Rumon, dem alten Namen des Tibevis kommt, ist nicht ausgemacht; im letzteren Falle hiefse Roma soviel als Stromstadt; denn Rümon und Tiberis (osk. Teba, Berg) bedeuten Bergstrom. Vgl. Strymon von Wurzel sru, po, fliefsen. Wahrscheinlich ist es dasselbe Wort, das in ruminalis (ficus rumi-nalis) zu Grunde liegt. Keinenfalls aber kommt der Name vom griechischen (valentia). § 5. Geschichtlicher Überblick und Entwickelung der Stadt. Rom war anfangs eine unbedeutende, dorfähnliche Ansiedelung von Hirten auf dem Palatin; als dann Sabiner auf dem Quiri-nal und Kapitolin sich niedergelassen und sich mit den Latinern zu einem Gemeinwesen vereinigt hatten, nahm die Stadt rasch zu, besonders unter den letzten Königen (Servius, Tarquinius), unter welchen ansehnliche Bauten sich erhoben und die sumpfigen, unbewohnbaren Niederungen zwischen den Hügeln trockengelegt

7. Grundriss der römischen Altertümer - S. 4

1882 - Freiburg im Breisgau [u.a.] : Herder
4 § 3. Römische Nationalität. Kampanien innehatten, und neben den Griechen vornehmlich die sog. Italiker ansäfsig, die mit den Griechen (Gräko-Italikern) einen Zweig der indogermanischen Yölker bilden. Dahin gehörten die Sikuler (Sikaner) in Latium und einem Teil von Kampanien, bis die Latiner sie vertrieben, die von dem Flachlande zwischen den Sabinerbergen, dem Tiber und dem Meer ihren Namen erhielten. Östlich, von diesen treffen wir die uralten und mächtigen Umbrer in Umbrien, Picenum und im östlichen Teil von Samnium, während die ihnen verwandten oskisch redenden Sabeller (Sabiner, Samniten, Lukaner und Bruttier gehörten zu ihnen) den westlichen Strich bewohnten. Südlich von den Umbrern und Sabellern safsen die Osker (Opiker), den Sabellern sehr nahe verwandt. Von ihnen sind besonders die Yolsker, Eutuler, Herniker, Äquer und Aurunker bekannt. In Unteritalien endlich finden wir Bruttier (Brettier) und Lukaner, beide mit den Sabellern verwandt, und die oskischen Apuler; ursprünglich bewohnten die Japijgen eine große Strecke Unteritaliens. Sie sind den Hellenen näher verwandt als den Italikern. Von allen diesen Yölkerschaften erlangten in der Geschichte die latinisclien und die zahlreichen Zweige der oskisch redenden Sabeller die größte Bedeutung; unter den Latinern aber errang das römische Volk die Herrschaft anfänglich über Italien, dann über die Welt. Die eigentliche Landschaft Latium (Latium vetus) war etwa 200 000 Hektaren (34 □ Meilen) groß mit dem mons Albanus (900 m) als höchster Erhebung; westlich von ihm lag der Aibanersee und zwischen Berg und See einst die alte Bundeshauptstadt der Latiner, Alba Longa. Auf dem Gipfel des Albanerberges stand (bis 1783) der Tempel des Juppiter Latiaris, wo alljährlich das Bundesfest (Jeriae Latinae) gefeiert wurde. Die ältesten Namen Italiens und seiner Yölker beweisen deren Hantierungen: Oenotria (Weinland), Italia (Rinderland), Opici (Osci = Feldarbeiter), Siculi oder Sicani (Schnitter), während Umbri (Ombri von Amra) die Edlen, Starken bedeutet (vgl. Luceres) und Latini wie Campani die Flachländer, im Gegensätze zu Sabini (Samnites) und Piceni, den Wald-, d. L Bergbewohnern. § 3. Römische Nationalität. 1. Die Römer gehörten zu den Latinern, einem Hauptzweige der in Mittelitalien eingewanderten Indogermanen, hier Gräko-Italiker genannt; von ihrem Hauptsitze Latium (von latus = r:\a-

8. Grundriss der römischen Altertümer - S. 186

1882 - Freiburg im Breisgau [u.a.] : Herder
186 § 95. Allgemeiner Charakter der römischen Religion Stofs zu durchbrechen oder durch gabelförmigen Anlauf zu überflügeln; warf Brandpfeile und Balken auf das Feindesschiff und schofs mit Katapulten. Bogenschützen und Schleuderer sandten ihre Geschosse hinter den Brustwehren (propugnacula Hör. epod. 1, 1) hervor. Fünfter Abschnitt. Das Religionswesen. (Gottesdienstliche oder Sakralaltertümer.) § 95. Allgemeiner Charakter der römischen Religion. Der alte Römer war von einem tiefreligiösen Sinn (pietas) belebt und dieser Sinn trieb ihn zu einer ängstlichen und steten Verehrung der Gottheit an. Die Grundform seines religiösen Glaubens ist in der geschichtlichen Zeit allerdings eine polytheistische; allein in der ältesten Zeit erscheint seine religiöse Vorstellung viel reiner als in der späteren und weicht wesentlich von der griechischen ab, indem dieselbe ein stark monotheistisches (oder monistisches) Gepräge zeigt. Darum hat der Römer der alten Zeit keine Göttergestalten nach Art der griechischen, keine Göttermythen oder Sagen von den Göttern, ihren Thaten, Wanderungen oder ihrer Verwandtschaft zu einander (Genealogie); mithin giebt es bei den Römern auch keine Mythologie. Für Göttersagen fehlte dem verständigen Römer aller Sinn. Er dachte sich die Gottheit (ursprünglich) nicht in Menschengestalt (Anthropomorphismus), er versinnlicht oder verkörpert sie nicht (denn der Bilderdienst [Ido-lolatrie] ist der ältesten römischen Religion fremd), sondern weifs nur, dafs es ein göttliches Avesen (numen) giebt, das in alle Verhältnisse eingreift, die ganze Natur erfüllt, alle Dinge durchdringt, und seinen Avillen in mannigfaltiger Aveise kundgiebt (sich offenbart). Diese Gottheit beschützt aber auch den Menschen in allen seinen Lebensverhältnissen, wofür sie eine entsprechende Gegenleistung, nämlich die Verehrung in einem strengen religiösen Kulte verlangt. (Verzerrte Auffassung der Vorsehung, numen.) Das ursprünglich reinere Gottesbewufstsein nahm bei seinem all-mäligen Zerfall und in dem Grade, als das A ertrauen auf den einen Gott nachliefs und der Mensch sich einer vielspältigen Natur mit ewigem Wechsel von Entstehen und Vergehen gegenüber sah, selber eine vielspältige Gestalt an; und wie das Universum verschiedenen, oft gegensätzlichen Eindruck auf den Menschen machte,

9. Grundriss der römischen Altertümer - S. 187

1882 - Freiburg im Breisgau [u.a.] : Herder
§ 95. Allgemeiner Charakter der römischen Religion. 187 so potenzierte dieser die Erscheinungen des Universums zu ebenso vielen, sich bekämpfenden göttlichen Mächten, die der Mensch versöhnen zu müssen glaubte. Daher der allmälige Verfall der Religion. Ein Lehrgebäude von Glaubenssätzen, d. i. eine Glaubensmre, kennt indes die römische Religion so wenig als die griechische. Es gab auch keine Priester oder Lehrer, welche etwa in religiösen Dingen unterrichtet hätten. Die Priester zeigten nur, wie eine Gottheit zu verehren oder wie ein Opfer zu bringen sei. Überhaupt kümmerten sich die Römer weniger darum, das Wesen der Gottheit kennen zu lernen; sie begnügten sich, ihr Walten zu fühlen: kurz, sie neigten zur Praxis, d. i. zum Kultus oder zu äufserer Gottesverehrung. Darum bestand in Rom ein streng ausgebildeter, sehr ritueller Gottesdienst mit genau vorgeschriebenen Gebeten, Opfern, Sühnungen, Gelübden und Festen. Damit verband der alte Römer einen strengen Charakter ernster Religiosität, eine tiefe Ehrfurcht vor allem Göttlichen, heilige Scheu (religio) vor der Gottheit, deren Wesen zwar verborgen, deren geheimnisvolles Wirken aber der Mensch überall in der äufseren Naturwelt wie im Leben des Menschen, in Familie und Staat wahrnimmt. Deshalb stellte der Römer das Leben des Menschen in allen seinen einzelnen Momenten unter göttlichen Schutz; von der Geburt bis zum Tode übernimmt je eine Gottheit die Obsorge für einen Lebensabschnitt: sie wacht über Geburt und Wachstum des Kindes, über Jugend und Alter und alle Le-bensbeziehungen. So spricht sich beim Römer ein vorwaltendes Gefühl seiner steten Abhängigkeit von Gott aus. Daraus entsprang die enge Beziehung von Religion und Staat, d. i. von Kultus und öffentlichem Rechte, wie hei keinem anderen Volke des Altertums, so zwar, dafs das ältere Staatsrecht (ius 'publicum) sich gänzlich an das prie-sterliche Recht (ius pontificium) anlehnt und von ihm beherrscht ist. Der religiöse Glaube durchdringt die Verfassung, Gesetzgebung, die Familie, den Geschlechterverband (gentes), Patronat und Klientel, kurz alles öffentliche und private Recht. In ähnlicher Weise aber, wie das Recht religiös war, trug umgekehrt die Religion einen juridischen Charakter: es ist für den Römer eine Rechts2)fliclit, die religiöse Verehrung der Gottheit zu leisten, da diese ihn schützt. Eine religiöse Gesinnung oder eine Verinnerlichung der Religion kannte im allgemeinen der Römer nicht; jedoch hielt er strenge bis in die Zeit der Aufklärung an der "vaterländischen Religion (mos mciiovum), zwar war er tolerant gegen fremde Kulte, jedoch nur soweit, als dadurch die Staatsreligion nicht berührt wurde. Cm sich den Götterschutz in allen Lagen zu erhalten, schuf das prie—

10. Grundriss der römischen Altertümer - S. 188

1882 - Freiburg im Breisgau [u.a.] : Herder
188 § 96. Perioden der Entwickelung der römischen Religion sterliche Recht ein weitläufiges Ritual von heiligen Gebräuchen (ritus) und Formeln, die der Römer mit ängstlicher Gewissenhaftigkeit und Skrupulosität beobachten mufste, da die Gottheit genaueste Erfüllung verlangte. Religio und pietas. Den Inbegriff dessen, was wir unter Religiosität oder religiöser Gesinnung verstehen, bezeichnet der Römer mit pietas und religio. Religio (relligio, von relegerex, nicht von religare, = wiederholt und ängstlich betrachten, behandeln, nach Cicero soviel wie diligenter retractare) ist nach der inneren Seite Achtung, Scheu oder Ehrfurcht vor der Gottheit (vgl. unser „Gottesfurcht“), nach der äufseren aber Pünktlichkeit, Gewissenhaftigkeit in der Erfüllung der sakralen Vorschriften oder sorgfältige (diligens) Beobachtung der gottesdienstlichen Obliegenheiten. Dem entspricht die Bedeutung von pietas (von pius oder pio — opfern, durch Opfer sühnen); sie ist die pflichtmcifsige Erfüllung der vorgeschriebenen Sühnungen, d. i. besonders der Opfer gegen die Götter, dann pflichtmäfsiges Handeln überhaupt (synonym tustitia und sanctitas nach Cicero), und zwar a) gegen die Götter (= Frömmigkeit), b) gegen die Eltern (Elternliebe), c) gegen das Vaterland (Vaterlandsliebe). Dagegen bezeichnet superstitio (selten in gutem Sinne = Religiosität) das betroffene, ängstliche Stehenbleiben vor dem Göttlichen mit dem Nebenbegriffe des Verkehrten, Übertriebenen (Seneca: timor superfluus et delirus) = Aberglaube (oeiaioottp.ovi'a) und bildet so das Gegenteil von religio und pietas (Cic. Cluent. 68, 194). Von der Pünktlichkeit der Römer in Erfüllung der religiösen Pflichten sagt Sali. Cat. 12, 3: nostri maiores religiosissimi mortales. Gell. 2, 28: ve-teres Romani ... in constituendis religionibus (religiöse Gebräuche, Riten) atque in diis immortalibus animadvertendis castissimi cautissimique. § 96. Perioden der Entwickelung der römischen Religion. Der religiöse Glaube der Römer und demgemäfs ihr ganzes Kultwesen hat mehrere Perioden der Entwickelung durchlaufen. Wir nennen nur die zwei Hauptperioden: die Zeit des altlatinisch-sabinischen und die des fremdländischen Kultes. 1. Altitalische oder latinisch-sabinische Periode. Die älteste Gottesverehrung der Römer zeigt eine auffallende Reinheit, wie wir sie kaum bei einem anderen heidnischen Volke treffen, und nur weniges scheinen die Römer als Erbteil von den verwandten indo-germanischen (arischen) Völkern behalten zu haben. Je weiter rückwärts wir in der Geschichte der römischen Gottesverehrung gehen, desto mehr neigt die Gotteserkenntnis zum Monotheismus. Eine Mehrheit von Göttergestalten wie bei den Griechen finden wir nicht, ja überhaupt keine einzige konkrete Göttergestalt, vielmehr nur ein unbestimmbares göttliches Avesen (numen). Damit 1 Daher relegens (religens), opp. neglegens (gr. däiyeiv) so viel wie gottes-fürchtig, fromm. Gell. 4, 9: religentem esse oportet, at religiosumst (== super-stitiosum) nefas.
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